Gefühle begleiten

„Dafür bist du noch zu klein!“

So sagst du, was du wirklich meinst, ohne dich hinter adultistischen Phrasen zu verstecken

Vor ein Paar Tagen ist mir beim Spaziergang mit meinem Pferd eine Frau mit Hund und Kind begegnet. Das Mädchen, ca 2 Jahre alt, ist bei Spirits Anblick in Freudekreischen verfallen und mit „Ei, ei, ei“ – Rufen auf uns zu gerannt. 

Bei uns angekommen, hat sie sich Spirit ans Bein geworfen und ihn vor Freude glucksend feste umarmt. 

Er ist inzwischen entspannt in solchen Situationen. Trotzdem habe ich das Mädchen gefragt, ob ich sie zur Sicherheit hochheben und auf dem Arm halten darf. War ok für sie und die Oma. 

Gesagt, getan. Kaum auf meinem Arm strahlte sie mich an, sagte „hoch“ und zeigte auf Spirits Rücken. 

In meinem Kopf passierte folgendes gleichzeitig:

  • Ich versteh dich so gut.
  • Ich teile den Wunsch 🙂
  • Er kennt dich gar nicht.
  • Was, wenn er erschrickt?
  • Du hast keinen Helm!
  • Ich muss die Oma fragen!!
  • Du könntest verletzt werden!!!
  • Die Verantwortung ist mir zu groß!!!! 

Aus meinem Mund kam als Zusammenfassung meiner vielen Gedanken: 

„Dafür musst du noch ein bisschen wachsen!“

BÄM

Die Freude wich aus dem kleinen Gesicht und ich konnte sehen, wie es dahinter arbeitete. 

*** “MIST! Warum sag ich so einen Quatsch?” ***

Ganz einfach. Weil mein Gehirn ein Energiesparer ist und in Millisekunden entschieden hat: 

“Alles, was ich gedacht habe, kindgerecht zu erklären, dauert zu lange.”

Das sind Automatismen von adultistischem Verhalten, die uns allen passieren. 

Doch was passiert bei den Kindern, wenn wir solche Dinge sagen?

Lass uns mal kurz die Ebene wechseln und die Seite des Kindes beleuchten. 

Wenn ich einem Kind sage, dass es „noch zu klein“ ist oder „das nicht kann, weil es erst noch größer werden muss“, kann das für das Kind sehr frustrierend und entmutigend sein. Es kann dazu führen, dass sich das Kind nicht verstanden und/oder unwichtig fühlt, weil seine Gefühle und Fähigkeiten nicht ernst genommen werden. Genau das habe ich mit meiner Aussage gemacht. Ich habe dem Mädchen aufgrund seines Alters die Fähigkeit abgesprochen auf einem Pferd zu sitzen.

Da Kinder noch nicht in der Lage sind, uns “Große” und unsere Handlungen oder Worte zu hinterfragen, suchen sie die Verantwortung dafür bei sich und nie bei uns. Sie können die Auffassung bekommen, dass ihre Meinung oder ihr Beitrag nicht zählen und auf lange Sicht Minderwertigkeitsgefühle entwickeln, weil sie das Gefühl haben, nicht gut genug zu sein. 

Adultistisches Verhalten von Bezugspersonen kann das Selbstwertgefühl und das Vertrauen eines Kindes in sich selbst beeinträchtigen und in ihm das Gefühl erzeugen, dass es nie genug sein wird. Für eine bestimmte Tätigkeit oder als Grundauffassung seiner selbst. Eine Prägung, die wir natürlich alle nicht bewirken wollen.

Wenn du jetzt Sorge hast, weil du schon mehrfach solche oder so ähnliche Sätze gesagt hast, dann entspann dich bitte wieder.

Du kannst mit deinem Verhalten ab jetzt dazu beitragen, dass dein Kind ein gesundes Selbstwertgefühl entwickelt.

Als Eltern sollten wir unsere Kinder ermutigen und unterstützen, unabhängig davon, wie alt oder wie groß sie sind. Kinder brauchen das Gefühl, dass ihre Bemühungen geschätzt und anerkannt werden, ohne dass ihr Alter oder ihre Größe eine Rolle spielen. Sie sollten sich sicher fühlen, dass ihre Stimmen gehört werden und dass ihre Gedanken und Gefühle wichtig sind. Das fördert ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstständigkeit.

Konkrete kannst du folgende Dinge tun, um dieses positive Umfeld zu schaffen:

  • Anerkennung und Ermutigung: Honoriere die Bemühungen und Erfolge deines Kindes, egal wie klein sie erscheinen mögen. Zeige Deine Anerkennung für seine Anstrengungen und Fortschritte, um sein Selbstvertrauen zu stärken und ermutige es, an sich zu glauben..
  • Ermögliche Entscheidungen: Gib deinem Kind die Möglichkeit, entsprechend seinem Entwicklungsstand Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Dies zeigt ihm, dass seine Meinung zählt und dass es fähig ist, eigenständig zu handeln.
  • Unterstützung bei Herausforderungen: Sei für dein Kind da, wenn es Schwierigkeiten hat, und bieten deine Unterstützung und Hilfe an, ohne es auf sein Alter oder seine Größe zu reduzieren. Zeige ihm, dass es in Ordnung ist, um Hilfe zu bitten, und ermutige es, neue Dinge auszuprobieren, auch wenn es Fehler macht.

Aber wie ging es eigentlich weiter mit der Geschichte?

Die Oma, die inzwischen zu uns aufgeschlossen hatte, erklärte mir: „Sie reitet immer auf unserem Pferd. Deshalb will sie auf jedes Pferd, das sie sieht.“

Memo an mich an dieser Stelle:

Da schau an. Siehst du Gehirn. Das Mädchen reitet schon, obwohl sie noch “so klein” ist. Sie ist nicht zu klein zum Reiten! Du hast ihr Fähigkeiten abgesprochen, die sie schon erworben hat und auf die sie sicher stolz ist, nur weil du Angst hattest und zu faul warst, dich zu erklären.

Diese Erklärung hab ich dem Mädchen dann gegeben. Und ihr gesagt, dass sie natürlich nicht zu klein ist. Nur, dass das Pferd sie ja gar nicht kennt und ich sie daher nicht einfach auf seinen Rücken setzen kann. 

Als die Oma dann in Aussicht stellte, dass sie morgen wieder reiten darf, ging in ihrem Gesicht die Sonne wieder auf. 

☀️👧🏻🐴

➡️ „Dafür bist du noch zu klein“ ist Adultismus. Das Abwerten eines Kindes aufgrund seines Alters. 

Solche Sätze haben wir alle als Kinder gehört und wir haben sie oft verinnerlicht. Unser Energiesparer-Gehirn reproduziert unter Stress diese Sätze automatisch, ohne sie zu hinterfragen.

So kommst du da raus:

  1. Schreibe die Sätze auf, die du denkst oder ungewollt sagst und reflektiere, wo du sie gelernt hast.
  2. Beobachte dich, was du eigentlich denkst, wenn du adultistische Dinge sagst. 
  3. Schreibe auch diese Dinge auf und formuliere neue Sätze, die viel mehr dem entsprechen, das deine wirkliche Meinung ist und was du ausdrücken möchtest.
  4. Und dann sag beim nächsten mal, was du wirklich meinst. 

Zum Beispiel

Statt: Dafür bist du noch zu klein

Lieber: Ich habe Sorge, dass dir was passiert. 

Das ist ehrlich und damit bleibst du bei dir, statt die Verantwortung für die Situation auf vermeintliche Unzulänglichkeiten des Kindes abzuwälzen.

Welche Sachen hast du dich schon sagen hören und dir danach innerlich an die Stirn gepackt?

Schreib mir gern, wie du damit umgehst, was du heute anders formulierst und wo es noch immer hakt.

Viele Grüße und bis zum nächsten Blogartikel vom 

elternUNIversum – Damit Elternschaft sich gut anfühlt!

Deine Stefanie

PS: Sei gnädig mit dir, wenn es nicht sofort klappt. Es braucht mindestens 21 Tage regelmäßiges Anwenden einer neuen Gewohnheit, bis sie automatisiert wird. Also nimm dir Zeit zum Üben.

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